Die Konstellation
In aller Regel rate ich nach honorarfreier Ersteinschätzung davon ab, sich im Antragsverfahren gegenüber der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung anwaltlich vertreten zu lassen:
- Die mit einer anwaltlichen Vertretung verbundenen Kosten sind nicht von den bedingungsgemäßen Leistungen der Rechtsschutzversicherung umfasst und müssen daher aus eigenen Mitteln aufgebracht werden.
- Gleichzeitig bedarf es (jedenfalls im Regelfall) keiner besonderen Fähigkeiten oder Kenntnisse und der Aufwand für die Kommunikation im Zusammenhang mit der Antragstellung hält sich ebenfalls in Grenzen.
Insbesondere, wenn (wie zum Beispiel hier) eine qualifizierte Vorlage zur Verfügung steht, kann die Korrespondenz im Leistungsverfahren ohne Weiteres in eigener Person bewältigt werden, ohne dass ein spezialisierter Rechtsanwalt beauftragt werden muss.
Manche Mandanten bestehen allerdings gleichwohl auf meiner Vertretung bereits im Leistungsverfahren – teilweise, weil sie krankheitsbedingt den diesbezüglichen Aufwand nicht mehr betreiben können oder wollen, teilweise aber auch nur, weil sie dann „ein besseres Gefühl“ haben.
In einem solchen Fall konnte ich kürzlich wieder ein erfreuliches Anerkenntnis mit nicht nur künftiger, sondern auch rückwirkender Leistung einerseits und ohne gutachterliche Prüfung durch den Versicherer andererseits erreichen.
Der Sachverhalt
In diesem Fall kam der Auftrag von einem Manager aus der Automobilbranche, der sich nach Jahren typischer Raubbau-Arbeit in einem desolaten gesundheitlichen Zustand befand.
Aufgrund der hohen Arbeitslast und der durchgängigen mentalen Anspannung ohne ausreichende Regenerationszeiten entwickelte die vergleichsweise junge Führungskraft eine schwere Depression, sogar mit psychotischen Symptomen.
Weder eine adäquate pharmakologische Therapie über einen längeren Zeitraum noch die entsprechende Psycho- und Gesprächstherapie konnten die einschlägige Symptomatik lindern, weshalb mein Mandant den Anforderungen seines „Hochleistungsberufes“ einfach nicht mehr gewachsen war:
Er kündigte das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen und beauftragte mich mit der Anmeldung und Durchsetzung seiner Leistungsansprüche aus der privaten BU-Versicherung.
Das Verfahren
Nach Prüfung von Versicherungsunterlagen und medizinischen Befunden kam ich zu dem Ergebnis, dass tatsächlich Berufsunfähigkeit im Sinne der vereinbarten Bedingungen vorlag und somit ein Anspruch auf (rückwirkende) Leistungen bestand.
Ich erstellte also die sog. „Anzeige des Versicherungsfalls“, belegte die dortigen Angaben mit den vorliegenden fachärztlichen Bewertungen und versandte das Schreiben – nur eine Woche, nachdem die vollständigen Unterlagen in meiner Kanzlei vorlagen – an den BU-Versicherer.
Im zeitlichen Verlauf kam es dann zu diversen Nachfragen des Versicherers.
Zwar musste ich bei einer Anfrage durch Konzeption eines speziellen Fragebogens für einen der meinen Mandanten behandelnden Ärzte eingreifen, im wesentlichen beschränkten sich die Fragen des Versicherers jedoch auf die behandelnden Ärzte/Krankenhäuser sowie die weitere berufliche Situation meines Mandanten.
Das Ergebnis
Was lange währt, wird aber bekanntlich gut:
Am 22. Mai 2023 – ziemlich genau ein Kalenderjahr (!) nach meinem Leistungsantrag – erhielt ich dann die Nachricht, dass die Berufsunfähigkeit meines Mandanten anerkannt wurde.
Erfreulich an der Leistungsentscheidung des Versicherers war, dass – dies hatte ich in meinem Antrag vorbereitet und rechtlich begründet – sogar rückwirkend bis zum 1. August 2021 geleistet wurde.
(Abhängig von den vereinbarten Versicherungsbedingungen ist es tatsächlich möglich, rückwirkende Leistungen zu erhalten, im Idealfall wie etwa bei diesem Mandat – sogar zurück bis zu dem Tag der Erstdiagnose der zugrundeliegenden Erkrankung).
Dies war deshalb sehr erfreulich, weil immerhin ein Betrag von etwas mehr als 66.000,- EUR ausgezahlt wurde, womit endlich der durch den krankheitsbedingten Wegfall des Einkommens ausgelöste Liquiditätsengpass entfiel.
Insgesamt war es dann doch ein trotz der fast schon unzumutbar langen Verfahrensdauer recht erfreuliches Ergebnis – aus meiner Sicht vor allem deshalb, weil mein Mandant sich nun ohne finanzielle Sorgen voll und ganz auf sein „Comeback“ konzentrieren konnte …