Die gesundheitlichen Folgen von Long COVID beschäftigen mehr und mehr auch die privaten Berufsunfähigkeitsversicherer, wie auch in diesem Fall:
Meine Mandantin war als Hausärztin in eigener Praxis niedergelassen, erlitt diverse COVID-Infektionen und hatte im Zusammenhang mit den jeweiligen Infekten stets mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu kämpfen, die länger und länger anhielten.
Hinzukamen diverse Vorerkrankungen, die offenbar durch das aktuelle Infektionsgeschehen wieder reaktiviert wurden.
Da die berufliche Leistungsfähigkeit meiner Mandantin sukzessive unter das hälftige Niveau einer Vollzeittätigkeit fiel, stellte sie bei ihrer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung einen Antrag auf Leistungen.
Hieraus entwickelte sich eine ungefähr 1,5jährige Odyssee, im Rahmen welcher der Versicherer so ziemlich jede der bekannten Strategien zur Verweigerung von Leistungen einsetzte:
1.
Zunächst äußerte die Berufsunfähigkeitsversicherung die Ansicht, meine Mandantin habe bei Vertragsschluss gesundheitserhebliche Angaben verschwiegen.
Begründet wurde dies mit einer einwöchigen Krankschreibung wegen (völlig üblicher) Magen-Darm-Beschwerden sowie einen angeblich verschwiegenen „vollstationären Krankenhausaufenthalt wegen einer unbekannten Krankheitsursache“.
Ich wies den Versicherer auf die Rechtslage hin, nach welcher es sich bei diesen beiden Umständen nicht um sogenannte gefahrerhebliche Umstände im Sinne von § 19 VVG handelte (der vollstationäre Krankenhausaufenthalt beschränkte sich auf weniger als einen Kalendertag wegen einer allergischen Reaktion auf ein bestimmtes Haarfärbemittel – mit Sicherheit kein Umstand, den der Gesetzgeber bei Schaffung der in § 19 VVG geregelten Anzeigepflicht im Sinn hatte).
Der Versicherer lenkte ein und setzte die Leistungsprüfung fort:
2.
Sodann wurde folgende Argumentation getestet:
Ursprünglich sei eine Ausschlussklausel für psychische Erkrankungen vereinbart worden.
Die Leistungsprüfung habe nunmehr ergeben, dass die Erkrankungen, die zur Anmeldung des Anspruches führten, von dieser Ausschlussklausel umfasst seine; man möge daher bitte Verständnis dafür aufbringen, dass man vor diesem Hintergrund natürlich nicht leisten könne:
Erneut musste ich auf die Rechtslage hinweisen:
Ursache der bedingungsgemäßen Beeinträchtigungen im rechtlich relevanten Sinne war ausschließlich die Long COVID-Erkrankung meiner Mandantin:
Zweifellos wurden durch das (wiederholte) Infektionsgeschehen (auch) bestimmte psychische Vorerkrankungen reaktiviert – im Ergebnis konnten aber keine ernsthaften Zweifel daran bestehen, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausschließlich in Folge eines Infektionsgeschehen aufgetreten seien.
Für die Auslösung durch das Infektionsgeschehen wiederum war der vereinbarte Ausschuss für psychische Erkrankungen nicht von Entscheidungsrelevanz.
3.
Auch diesmal gab der Versicherer nach und beauftragte nunmehr (zwischenzeitlich war immerhin ein halbes Kalenderjahr vergangen) ein Gutachten über die bestehenden Beschwerden.
Der beauftragte Sachverständige kam – glücklicherweise, das habe ich oft anders erlebt – zu dem Ergebnis, dass auf Grund der gesundheitlichen Einschränkungen eine mehr als hälftige Beeinträchtigung bei der Ausübung des Berufes als niedergelassene Hausärztin vorliege, weshalb die vertraglich vereinbarten Leistungen nunmehr zu erbringen seien.
Diese Bewertung machte sich dann auch die Versicherung zu eigen und erkannte ihre Leistungspflicht an:
Somit konnte ich – ein Jahr nach Mandatierung – meiner Mandantin zwei erfreuliche Nachrichten übermitteln:
- Ihr BU-Versicherer habe eine Überweisung in Höhe von 81.600,- € veranlasst (da die Erkrankung sich erst zunehmend entwickelte, hatte ich vorsorglich auch rückwirkende Leistungen beantragt).
- Weiter habe mich auch das Anerkenntnis des Versicherers erreicht, mit welchem dieser seine Leistungspflicht auch für die Zukunft bestätige; sie werde dieses noch am heutigen Tage per E-Mail erhalten.
Entsprechend der verbleibenden Vertragslaufzeit erwarten meine Mandantin nun Zahlungen in Höhe von insgesamt weiteren 1.070.400,- EUR (soweit sich ihre gesundheitlichen Verhältnisse nicht derart stabilisieren, dass sie ihre Vollzeittätigkeit als niedergelassene Ärztin wieder aufnehmen oder einer sog. Verweisungstätigkeit nachgehen kann).
Für Betroffene von Multisystemerkrankungen sind derartige finanzielle Absicherungen vor allem deshalb so wertvoll, weil sie sich nach Durchsetzung ihrer Rechte in aller Ruhe auf ihre Genesung konzentrieren können.
Fazit:
Ein weiterer erfreulicher Fall, der erneut deutlich vor Augen führt, dass es sich lohnt, hartnäckig zu bleiben:
Teilweise werden durchaus abenteuerliche Argumente vorgebracht, um sich der Leistungspflicht zu entziehen.
Wer hier nicht besonnen bleibt und die Ablehnungsgründe sachlich hinterfragt, läuft Gefahr, auf existenzielle Ansprüche zu verzichten, die – wie dieser Fall gezeigt hat – durchaus siebenstellige Ausmaße annehmen können …