BU-Anträge wegen Long COVID-Erkrankungen sind vor allem deshalb recht anspruchsvoll, weil es hier besonders wichtig ist, die Vielzahl der oft breit gefächerten Beschwerden so aufzubereiten, dass eine krankheitsbedingte Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit erkennbar wird.
Dass Versicherer hier nicht immer leicht zu überzeugen sind, zeigt folgender Fall:
Meine Mandantin wandte sich im November 2022 nach knapp zweijähriger Long COVID Erkrankung an meine Kanzlei und bat um Begleitung eines Leistungsantrages in ihrer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung.
Nach Sichtung der (von ihr exzellent aufbereiteten) Unterlagen teilte ich mit, dass sie aus meiner Sicht gar keine anwaltliche Unterstützung benötige; sie habe die wesentliche Arbeit bereits erledigt und ab jetzt handele es sich im Grunde nur noch um reine Sachbearbeitung, die im Grunde jeder Versicherte selbst vornehmen könne (notfalls mit den von mir bereitgestellten Vorlagen).
Meine Mandantin folgte diesem Rat und stellte ihren Leistungsantrag zunächst selbst, unter Verwendung der von mir hierfür bereitgestellten Vorlage für einen Leistungsantrag in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung.
Vier Monate später hatten wir erneut Kontakt, dieses Mal anlässlich einer Leistungsablehnung des Versicherers:
Zur Begründung wurde ausgeführt, die geschilderten Beschwerden seien zwar typisch für Long COVID Erkrankungen, was vor allem die kognitiven Einschränkungen betreffe, trotz Bestätigung der behandelnden Ärzte sei jedoch fraglich, „auf welcher Grundlage“ eine Beeinträchtigung angenommen werden könne. Insgesamt seien die geschilderten Beschwerden zwar nachvollziehbar, mangels „Testung der Konzentrationsstörungen“ sei das genaue Ausmaß und die Auswirkungen auf die versicherte Tätigkeit jedoch nicht festzustellen.
Ich verfasste hierauf ein anwaltliches Aufforderungsschreiben, in welchem ich unter Hinweis auf die Rechtslage anregte, seine Leistungsablehnung zu überdenken:
Von Anfang an belegten die vorgelegten fachärztlichen Befunde eindrucksvoll eine bedingungsgemäße Beeinträchtigung, vor allem (ausgeprägte) globale Leistungsdefizite, wie eine schnelle Erschöpfbarkeit und eine deutliche Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit:
Hierauf lenkte der Versicherer (zumindest teilweise) ein und teilte mit, die Beschwerden meiner Mandantin zumindest gutachterlich bewerten lassen zu wollen:
Da mittlerweile seit dem Leistungsantrag fast ein Kalenderjahr vergangen war (wir schrieben inzwischen August 2023), regte ich dringend an, wegen mit der Begutachtung verbundenen (weiteren) Verzögerung zumindest Abschlagszahlungen an meine Mandantin zu erbringen; anderenfalls müsse ich mir angesichts der durch den krankheitsbedingten Verdienstausfall meiner Mandantschaft ausgelösten Liquiditätsengpass vorbehalten, den durch die unzulässige Verzögerung des Leistungsverfahrens seit längerem fälligen Anspruch auf Rentenzahlungen nunmehr gerichtlich durchzusetzen.
Glücklicherweise lenkte die BU-Versicherung auch hier ein und teilte mit, rückwirkend ab Leistungsantrag zunächst einmal die hälftige Rente auszuzahlen und meine Mandantin ab sofort von ihrer Beitragspflicht zu befreien.
Durch die Zahlung entspannte sich die finanzielle Situation meiner Mandantin etwas, sodass wir nun den Gutachtertermin halbwegs beruhigt hinter uns bringen und sodann das schriftliche Sachverständigengutachten abwarten konnten.
Dieses wurde uns dann im Mai 2024 – exakt 19 (!) Monate nach Antragstellung – zugestellt.
Angesichts der Tatsache, dass ich im Laufe diese Leistungsverfahrens mehr als einmal darüber nachdachte, den Versicherer nunmehr (endlich) wegen seiner offenkundigen Verzögerungstaktik gerichtlich in Anspruch zu nehmen, habe ich mich dann über das Ergebnis des beauftragten Gutachtens vermutlich sogar noch mehr gefreut als meine Mandantin:
Persönlich belastet es mich immer sehr, wenn ich – was immer wieder vorkommt – Mandanten in derartigen Konstellationen anrate, das Ergebnis der nun vom Versicherer in die Wege geleiteten Begutachtung abzuwarten (weil dieses aus meiner Sicht gar nicht zu einem anderen Ergebnis als zur Berufsunfähigkeit kommen kann), um dann zu erleben, wie mir drei bis sechs Monate später eine fast schon lächerlich ergebnisorientierte Begutachtung zugestellt wird.
In einem solchen Fall hätte ich natürlich auch schon sehr viel früher klagen und dem Mandanten dadurch auch auch schon sehr viel früher zu einer entsprechenden Geldzahlung verhelfen können; für solche völlig unnötigen Wartezeiten fühle ich mich dann immer in gewisser Weise verantwortlich, weil die Mandanten ja meinen Rat vertrauten und (nur) deshalb gewartet haben …
Fazit:
Auch dieses Beispiel zeigt sehr schön, wie wichtig es gerade bei Multisystemerkrankungen ist, (a) hartnäckig zu bleiben (von Leistungsantrag bis Anerkennung des Versicherers vergingen immerhin mehr als 1,5 Jahre!) und – vor allem – (b), die krankheitsbedingten Beeinträchtigungen exakt herauszuarbeiten.
So oder so konnte ich hier jedenfalls in einem weiteren Fall von ausgeprägter Long COVID-Symptomatik einer Betroffenen zum Anerkenntnis ihres BU-Versicherers verhelfen – ein für mich immer wieder schönes Erlebnis…