Die Herausforderung:
Immer wieder erleben gesetzlich Versicherte, dass dringend empfohlene (Krebs-)Therapien von ihren Krankenversicherungen nicht übernommen werden.
Besonders häufig betrifft dies sogenannte off-label-Therapien, also Behandlungen mit Arzneimitteln, die außerhalb ihrer zugelassenen Anwendungsgebiete eingesetzt werden.
Dies gehört – und das ist die Ironie dieser Konstellation – in der Onkologie zum Versorgungsalltag.
Selbst wenn renommierte Universitätskliniken solche Therapien dringend empfehlen, lehnen – vor allem gesetzliche – Krankenversicherungen häufig mit dem Verweis auf die angeblich fehlenden Voraussetzungen eine Kostenübernahme ab.
Der Fall:
Meine Mandantin befand sich in einer herausfordernden onkologischen Behandlungssituation und wurde im Rahmen der sogenannten ATLEP-Studie mit einer Kombination aus den Arzneistoffen Lenvatinib und Pembrolizumab behandelt.
Die Therapie erwies sich insoweit als wirksam, als eine stabile Erkrankungssituation (stable disease) erreicht werden konnte.
Gleichwohl verweigerte die gesetzliche Krankenversicherung – und zwar trotz nach wie vor eindeutiger Empfehlung des behandelnden Universitätsklinikums – die weitere Kostenerstattung.
Das Verfahren:
Nach einem (aus meiner Sicht ziemlich sinnlosen gleichwohl aber) knapp neun Monate währenden) Verwaltungsverfahren wurde unser Widerspruch final zurückgewiesen.
Endlich konnte ich – im Mai 2023 – Klage beim zuständigen Sozialgericht einreichen.
In diesem Rahmen legte ich dar, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer sogenannten off-label-Erstattung (und zwar zwanglos) vorlagen:
- Ohne Zweifel handelte es sich um eine schwerwiegende Erkrankung (Schilddrüsenkarzinom).
- Für die Behandlung standen auch keine zugelassenen Alternativen mehr zur Verfügung (zwar war für das in Rede stehende Karzinom aus historischen Gründen noch das Zytostatikum Doxorubecin zugelassen, allerdings erwies sich dieses nach aktueller Studienlage bei weniger als 10 % der Patienten als effektiv).
- Auch bestanden hinreichende Erfolgsaussichten, die dritte Voraussetzung für eine Erstattungspflicht bei sogenannten off-label-Therapien: Die begehrte Kombination des Checkpoint-Inhibitors Pemboblizumab in Kombination mit den Lenvatinib hatte sich bei der konkreten Tumorentität als „enorm effektiv“ erwiesen, wie sich aus den zwischenzeitlichen Arztbefunden im zeitlichen Verlauf ergab.
Die von mir beantragte Stellungnahme des behandelnden Universitätsklinikums im gerichtlichen Verfahren bestätigte diesen Standpunkt eindrucksvoll.
Viel zu spät – nämlich erst im Juni 2025, nach mehr als zwei Kalenderjahren (!) – erkannte die Beklagte Krankenversicherung die geltend gemachten Kostenerstattungsansprüche meiner Mandantin vollumfänglich an.
Fazit
Ein weiterer Fall, der sehr schön zeigt, dass off-label-Therapien kein pauschaler Ausschlussgrund für die Kostenübernahme sind:
Sie bedürfen stets einer genauen Einzelfallprüfung (und notfalls gerichtlicher Klärung).
Realistische Erfolgsaussichten bestehen insbesondere. dann, wenn – wie hier – eine Einrichtung der Hochleistungsmedizin die konkrete Therapie unterstützt.
Ein Problem sind allerdings die Zwischenfinanzierungen:
Zwar konnte ich sämtliche Ansprüche meiner Mandantin vollumfänglich durchsetzen, allerdings hat sich dieses Verfahren (einschließlich Verwaltungsverfahren) über drei Jahre hingezogen und bei den heutigen Kosten für die modernen Arzneistoffe ist eine Vorverauslagung aus privaten Mitteln nur für wenige Menschen denkbar; wir sprechen hier von Jahrestherapiekosten im unteren sechsstelligen Bereich.
Wenn nicht – wie hier – das Universitätsklinikum bzw. der jeweilige Leistungserbringer aus eigenen Mitteln in Vorleistung geht, droht der Anspruch bereits faktisch unterzugehen …