Überblick:
Die Werbung für funktionelle Lebensmittel war noch nie frei von rechtlichen Stolperfallen.
In Zeiten der 2007 in Kraft getretenen „Health-Claims“-Verordnung (EG) 1924/2006 gleicht sie allerdings dem sprichwörtlichen Ritt auf der Rasierklinge:
Gesundheitsbezogenen Angaben sind nach geltendem EU-Recht nur noch zulässig, wenn die jeweiligen Angaben von der Europäischen Union wissenschaftlich anerkannt wurden; eine Werbung mit nicht ausdrücklich zugelassenen „Claims“ ist – und zwar unabhängig von der wissenschaftlichen Validität der Aussagen (!) – per se verboten.
Dies bringt vor allem Vertreiber von funktionellen Lebensmitteln (wie Nahrungsergänzungen oder Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke) in eine recht schwierige Situation:
Einerseits darf kaum noch gesundheits- oder gar wirkbezogen geworben werden, anderseits besteht auf Seiten der Endverbraucher bzw. der „verordnenden“ Ärzte ein gewisses Bedürfnis, zumindest in Grundzügen über die jeweiligen Produkte und – vor allem – ihre ernährungsphysiologischen Effekte informiert zu werden.
Hier waren Rechtsprechung und behördliche Überwachungspraxis in den letzten Jahren nicht immer einheitlich, was zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit auf Unternehmerseite (und auch zu einer gewissen Kreativität der Marketingabteilungen) auf Unternehmerseite geführt hat.
Sachverhalt:
In einer dieser zahllosen Beanstandungskonstellationen konnte ich kürzlich für eine größere Mandantin eine wichtige Einigung erzielen.
Als weltweit agierendes Unternehmen verfügte meine Mandantschaft über ausreichend Ressourcen für das Betreiben einer umfangreichen Blogseite mit recht hochwertigen redaktionellen Inhalten zu einer Vielzahl ernährungsmedizinischer Thematiken.
Die Besonderheit des Falles war, dass – passend zu den jeweiligen Inhalten – im Fließtext der jeweiligen Artikel eine verlinkte bildliche Darstellung einschlägiger Produkte eingebettet war. So fand sich beispielsweise in einem Text über die Funktionen und Bedeutung von Vitamin D für den menschlichen Organismus „zufällig“ ein Link zu einem Vitamin-D-Produkt usw.
Dies bewertete die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e. V. („Wettbewerbszentrale“) als Verstoß gegen geltendes EU-Recht.
Sie sprach eine umfangreiche Abmahnung aus, die im Ergebnis auf eine komplette Einstellung der gesamten redaktionellen Arbeit (einschließlich einiger Hundert Arbeitsstunden für die Säuberung der Seiten von vertragsstrafenrelevanten Inhalten hinausgelaufen wäre.
Ich habe daraufhin unter Bezugnahme auf die einschlägige Judikatur aus dem Heilmittelwerberecht argumentiert, dass man über die Produkteinblendungen durchaus diskutieren kann, sog. „Imagewerbung“ für Unternehmen allerdings erlaubt bleiben muss.
Zur Imagewerbung wiederum gehört auch das Betreiben einer Blogseite (jedenfalls dann, wenn keine Produktdarstellungen im Fließtext vorhanden sind):
Die unspezifische Darstellung ernährungsphysiologischer Vorgänge im menschlichen Organismus muss erlaubt bleiben – und zwar selbst dann, wenn sie von einem Unternehmen stammt, welches ersichtlich für potentielle Endverbraucher seinen Gewinn durch den Vertrieb einschlägige Produkte erzielt.
Wir konnten uns dann im Ergebnis darauf einigen, dass die beanstandeten Produkte aus den beanstandeten Texten entfernt werden, meiner Mandantin dafür aber das nicht produktbezogene „bloggen“ über Ernährung und ernährungsphysiologische Wirkungen erlaubt bleibt (selbst mit Link auf bestimmte Shop-Sektionen im Benutzermenü).