Persönlich empfinde ich es stets als unbefriedigend, erfolgreich in Medizinstrafverfahren verteidigt zu haben, trotzdem aber feststellen zu müssen, dass mein Mandant – wohlgemerkt trotz vollständiger Rehabilitation (!) – aufgrund eines unzureichenden Versicherungsschutzes einen Großteil seiner Verteidigerkosten selbst zu zahlen hat.
Aus gegebenem Anlass deshalb hier folgende Aktualisierung meines 2016 veröffentlichten Aufsatzes „Die Absicherung strafrechtlicher Risiken für praktizierende Heilberufler“ (NHK 03/2016, S. 51 ff):
Strafverfahren gegen Ärzte:
- sind allgegenwärtig (1),
- sind sehr gefährlich (2)
- und bedürfen deshalb dringend einer versicherungsrechtlichen Absicherung (3).
Im Einzelnen:
1. Strafverfahren gegen Ärzte sind allgegenwärtig
Strafverfahren gegen Ärzte gehören mittlerweile zum täglichen Berufsrisiko.
Waren zu Beginn meiner anwaltlichen Tätigkeit (vor 16 Jahren) staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Heilberufler noch die absolute Ausnahme, lege ich heutzutage in meiner Kanzlei mehrfach im Monat eine neue Akte an.
Die Vorwürfe sind höchst unterschiedlich; insgesamt lassen sich jedoch im Wesentlichen drei Trends als Ursachen für die exponentielle Zunahme medizinstrafrechtlicher Verfahren beobachten:
- Aufgrund einer besseren personellen Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden und der Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften werden bereits im klassischen Arztstrafrecht mehr und mehr Verfahren eröffnet, etwa im Bereich unzulässiger Industriekooperationen und vermeintlich betrügerischer Abrechnung.
- Gleichzeitig haben aufgrund erhöhter Regulierungsdichte im Verwaltungsrecht – gerade auch auf europäischer Ebene – die sog. „nebenstrafrechtlichen“ Risiken erheblich zugenommen. So wurden beispielsweise im Lebens- und Arzneimittelrecht oder im Recht der Medizinprodukte in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer – oft erstaunlich unbekannter – Straftatbestände geschaffen,.
- Letztlich ist es zur Unsitte geworden, dass unzufriedene Patienten bei nicht wunschgemäßem Krankheitsverlauf Strafanzeige gegen den behandelnden Arzt erstatten, um diesen unter Druck zu setzen und/oder sich eine (vermeintlich) bessere Beweissituation zu verschaffen.
2. Strafverfahren gegen Ärzte sind gefährlich
Zwar pflegt man im Medizinstrafrecht nach der Devise „Erst schießen dann fragen“ vorzugehen, weshalb sich der strafrechtliche Vorwurf in aller Regel nicht bestätigen wird (ich selbst habe bis auf einen einzigen – allerdings auch wirklich aussichtslosen – Fall jedes einzelne der von mir betreuten Mandate im Arzt- und Arzneimittelstrafrecht zur Einstellung oder zum Freispruch bringen können).
Trotzdem können die Folgen von Strafverfahren katastrophal für die betroffenen Ärzte sein:
Unabhängig von der psychischen Belastung, die mit einem (oft langjährigen) staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren einhergeht, von der Rufschädigung in der Öffentlichkeit und dem Vertrauensverlust bei Patienten unterschätzen nämlich viele Ärzte die finanziellen Risiken und gehen fälschlicherweise davon aus, dass die Kosten der Strafverteidigung vollumfänglich von ihrer Berufshaftpflichtversicherung übernommen werden.
Dies ist jedoch nicht der Fall, was man nicht deutlich genug betonen kann:
Der Versicherungsschutz der jeweiligen Berufshaftpflichtversicherung des Arztes besteht – wenn überhaupt – lediglich in Höhe der durch das RVG bestimmten Rahmengebühren des Verteidigers.
Diese wiederum belaufen sich allenfalls auf einen Bruchteil des Honorars für entsprechend qualifizierte Rechtsanwälte, weshalb der Anspruch auf Erstattung der (gesetzlichen) Verteidigerkosten gegenüber der ärztlichen Berufshaftpflichtversicherung faktisch wertlos ist:
Arztstrafverfahren liegen in aller Regel komplexe Sachverhalte zugrunde, die weitreichende – auch (zivil-)haftungs- und berufsrechtliche Konsequenzen haben können und die eine zeitaufwändige Tätigkeit von hochqualifizierten Anwältem mit hinreichender Erfahrung erfordern.
In den seltensten Fällen kann deshalb die für den optimalen Schutz des betroffenen Arztes nötige Verteidigung zu den gesetzlichen Gebühren eines Strafverteidigers erbracht werden.
Vielmehr wird eine eine qualifizierte anwaltliche Tätigkeit nicht ohne eine angemessene Honorarvereinbarung erhältlich sein, so dass sich das Kostenrisiko des betroffenen Arztes regelmäßig im mittleren vierstelligen Bereich bewegt – je nach Vorwurf und den Risiken späterer haftungs- und berufsrechtlicher Verfahren nicht selten auch im fünfstelligen (!) Bereich …
3. Strafverfahren gegen Ärzte sollten abgesichert sein
Angesichts der Häufigkeit von Strafverfahren einerseits und der kostenmäßigen Höhe des Exposition andererseits kann ich persönlich nur dringend anraten, das strafrechtliche Berufsrisiko des Arztes über eine spezielle Police abzusichern.
Fast alle im Gesundheitswesen tätigen Versicherer haben mittlerweile auf die Entwicklungen im Medizinstrafrecht reagiert und bieten seit längerem speziell auf das Berufsrisiko des Arztes abgestimmte Policen an, den sog. „Spezial-Strafrechtsschutz“.
Verträge, die diesen Namen wert sind, erkennt man an folgenden Merkmalen:
- Es wird – und zwar sofort – Kostenschutz für den konkret verfahrensgegenständlichen Vorwurf erklärt, selbst wenn dieser (angeblich) noch vor Abschluss des Versicherungsvertrages verwirklicht wurde.
- Der Versicherungsschutz bezieht sich auf alle denkbaren Vorwürfe, und zwar unabhängig von der Art des vorgeworfenen Delikt (Vergehen oder Verbrechen) und unabhängig von der vorgeworfenen Begehungsart (Vorsatz oder Fahrlässigkeit).
- Im Idealfall entfällt sogar die Rückerstattungspflicht bei rechtskräftiger Verurteilung des Arztes wegen einer vorsätzlichen Begehung, wenn das Verfahren durch einen Strafbefehl beendet wird. (Diese Verträge sind sehr zu empfehlen …)
- Im Gegensatz zum „erweiterten“ Strafrechtsschutz in der ärztlichen Berufshaftpflichtversicherung werden nicht nur die gesetzlichen Verteidigergebühren übernommen sondern auch Honorarvereinbarungen auf Stundensatzbasis.
So kann der Arzt Spezialisten beauftragen, ohne später auf deren hohen Kostenrechnungen sitzen zu bleiben. (CAVE: Auch im Falle eines Freispruchs werden von der Staatskasse lediglich die gesetzlichen Gebühren (zurück-)erstattet …)
- Zusätzlich werden auch die Kosten für Spezialisten im Verwaltungsrecht (Lebens- oder Arzneimittelrecht) oder im Sozialrecht (Recht der vertragsärztlichen Zulassung) übernommen.
- Auch die Kosten für präventive Verteidigungsmaßnahmen (erweiterter Zeugenbeistand; Unternehmensstellungnahme etc.) sind inkludiert.
(Hier passieren nämlich ohne anwaltliche Unterstützung häufig Fehler, die die eigene Verteidigungsposition schwächen …)
Verfügt der Arzt im Falle eines Falles über eine entsprechende Police, sind die Risiken gar nicht mehr so bedrohlich.
Vielmehr kann dann ein hochqualifizierter Spezialist beauftragt werden, der schnell und konsequent reagieren kann.
Dies gewährleistet in aller Regel, dass sich das Strafverfahren mit allen seinen negativen Begleiterscheinungen so früh und so geräuschlos wie möglich erledigt – und der Arzt kann sich weiter auf die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit konzentrieren …