Vortrag von Dr. Frank Breitkreutz am 09. Mai 2015 in Heidelberg, 17. Patienten-Arzt-Kongress der GfBK
Das Referat skizziert die wichtigsten Patientenrechte und ihre Grenzen bzw. – direkt korrespondierend – die Rechte und Pflichten ihrer Behandler.
Für inkurable Erkrankungen hat die Rechtsprechung Besonderheiten entwickelt, derer sich Patienten und Behandler oft nur bedingt bewusst sind. Diese Entwicklungen betreffen im Wesentlichen die Therapiefreiheit der jeweiligen Behandler (1) und – nicht minder wichtig – die Pflicht zur Erstattung der Kosten für (noch) nicht leitliniengerechte Methoden durch Kostenträger (2):
1.
Medizinische Leitlinien spiegeln in der Regel den „allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“ wider. Sie bilden somit überwiegend den sog. Facharztstandard, der eine grundsätzliche haftungsrechtliche Grenze für den jeweiligen Behandler darstellt.
Diese Grenze ist allerdings keineswegs zwingend. Sie kann bei individuellen Besonderheiten und/oder entsprechend geäußertem Patientenwillen (sowie entsprechender Aufklärung!) ohne Weiteres überschritten werden. Erst Recht gilt dies in verzweifelten Therapiesituationen. Hier besteht naturgemäß eine wesentlich ausgeprägtere Neigung zu Neuland- und experimentellen Verfahren bzw. zu unkonventionellen Methoden.
2.
Bei Erkrankungen, die nicht (mehr) kurativ behandelt werden können, kommt zwangsläufig jeder Therapie Versuchscharakter zu, für die der Nachweis medizinischer „Richtigkeit“ nicht geführt werden kann. In einer solchen Situation ist es nur bedingt gerechtfertigt, „harte“ Daten zur Voraussetzung einer Erstattung von Behandlungskosten zu machen.
Sowohl gesetzlich Versicherte als auch Patienten mit einem privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag können sich daher auf ein abgesenktes Evidenzniveau berufen:
- Für GKV-Patienten äußert sich dies in Durchbrechungen des grundsätzlich abschließenden Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese sind nunmehr in § 2 Abs. 1a SGB V kodifiziert (sog. „Nikolaus“-Paragraph).
- Privat versicherte Patienten können sich auf die „Vertretbarkeits“-Rechtsprechung berufen, nach welcher Behandlungskosten dann zu erstatten sind, wenn die Methode (objektiv) vertretbar war. Dies wiederum ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei inkurablen Erkrankungen bereits dann der Fall, wenn die Methode als wahrscheinlich geeignet angesehen werden kann, zumindest auf ihre Verlangsamung hinzuwirken. Hierbei ist nicht erforderlich, dass der Behandlungserfolg näher liegt als sein Ausbleiben; es reicht aus, wenn die Behandlung mit nicht nur ganz geringer Erfolgsaussicht das Erreichen des Behandlungsziels als möglich erscheinen lässt.
Weitere Informationen: Hier können Sie sich die Vortragspräsentation herunterladen.