Einführung und Überblick:
Nach § 5 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ist es verboten, sog. „bedenkliche“ Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder auch nur bei anderen anzuwenden.
Verstöße gegen dieses Verbot können gem. § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren sanktioniert werden.
Seitdem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Jahr 2015 zwei „MMS“-Produkte zum einen als zulassungspflichtig, zum anderen als bedenklich eingestuft hat, sind daher Inverkehrbringen und – vor allem – auch die therapeutische Anwendung von MMS-Produkten mit gewissen (straf-)rechtlichen Risiken belegt.
MMS steht hierbei für „Miracle Mineral Supplement“ – Präparationen, die Natrium- und Calciumhypochloritlösung enthalten und bei bestimmungsgemäßem Gebrauch mit dem Aktivator Zitronensäure zu Chlordioxid reagieren. MMS-Produkte werden teilweise unter Hinweis auf einschlägige Literatur als Mittel zur Heilung von Krebs, Malaria, chronischen Infektionen und weiteren schwerwiegenden Krankheiten beworben, was – da bislang noch keine Zulassung als Fertigarzneimittel erteilt wurde – naturgemäß die Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen hat.
In einer solchen Konstellation habe ich kürzlich vor der Staatsanwaltschaft Bielefeld verteidigt und konnte eine Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachtes erreichen.
Sachverhalt:
Mein Mandant war Inhaber eines auf Malta ansässigen Unternehmens, welches Trinkwasserfilter und andere Wasseraufbereitungsprodukte über das Internet vertrieb. Unter anderem wurden online MMS-Produkte verkauft wobei diese – und das war die Besonderheit des Falles – als Biozide grundsätzlich verkehrsfähig waren.
Das Gewerbeaufsichtsamt in Lüneburg war allerdings der Meinung, dass die Produkte unerlaubt mit abweichender Zweckbestimmung – als sog. „Präsentationsarzneimittel“ – vertrieben wurden und erstattete Strafanzeige wegen Inverkehrbringens von bedenklichen und nicht zugelassenen (aber zulassungspflichtigen) Arzneimitteln.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat die Ermittlungen aufgenommen und nach umfangreichen Zwangsmaßnahmen und Durchsuchungen habe ich Akteneinsicht erhalten, die meine Rechtsansicht, dass keine arzneimittelstrafrechtlichen Tatbestände verwirklicht wurden, bestätigt hat:
- Die Produkte waren als Biozide verkehrsfähig und somit keine „Funktionsarzneimittel“.
- Es waren keine Heilversprechen und auch keine arzneilichen Zweckbestimmungen ersichtlich (jedenfalls keine, für die mein Mandant rechtlich verantwortlich war), weshalb entgegen der Ansicht der Aufsichtsbehörde auch kein „Präsentationsarzneimittel“ vorlag.
(Hier war entscheidend, die einschlägige Rechtsprechung und Literatur herauszuarbeiten, nach welcher Internet- und sonstige Beiträge Dritter dem Vertreiber grundsätzlich nicht zugerechnet werden dürfen.)
- Insgesamt liess sich der Ermittlungsakte lediglich entnehmen, dass ein maltesisches Unternehmen – wohlgemerkt im Einklang mit sämtlichen rechtlichen Vorgaben – verkehrsfähige Produkte auch im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland vertrieb und dass bestimmte Mitarbeiter einer Aufsichtsbehörde diese für Präsentationsarzneimittel und/oder gesundheitsschädlich hielten; eine produktprägende arzneiliche Zweckbestimmung (durch meinen Mandanten) hingegen war nicht im Ansatz ersichtlich.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ist meiner Ansicht gefolgt und hat das langjährige Ermittlungsverfahren dann nach Anhörung der Aufsichtsbehörde im August 2020 mangels Tatverdacht eingestellt.