Sachverhalt:
Bei meiner gesetzlich krankenversicherten Mandantin wurde im Juni 2013 ein Zervixkarzinom diagnostiziert, welches sich bereits im Stadium III befand, der nach Stadium IV zweitgefährlichsten Kategorie der international üblichen Einteilung von Tumorentitäten und den jeweiligen Krankheitsverläufen.
Obwohl unmittelbar nach Erstdiagnose operativ und mit leitliniengerechter Radiochemotherapie behandelt wurde, musste im Juni 2021 ein Rezidiv diagnostiziert werden (welches sich im weiteren zeitlichen Verlauf überdies progredient zeigte).
Da die konventionellen Behandlungen eine Progression der Erkrankung nicht aufhalten konnten und nach den einschlägigen Leitlinien nur noch palliativ zu therapieren war, rieten ihr die behandelnden Ärzte zu einer individualisierten Immuntherapie in Verbindung mit dem Arzneistoff Pembrolizumab (Handelsname: Keytruda®) zur Wirkungsverstärkung.
Verfahren:
Die Gesetzliche Krankenversicherung meiner Mandantin lehnte die beantragte Kostenerstattung mit den üblichen beiden Begründungen ab:
- Zum einen sei nicht ersichtlich, dass die vertraglichen Methoden ausgeschöpft wurden (hier: die systematische Gabe von Cisplatin/Paclitaxel und Bevacizumab).
- Zum anderen fehle es an einer hinreichenden Datenlage – sowohl mangels Alternativlosigkeit als auch mangels Erfolgsaussicht im Sinne von § 2 Abs. 1a SGB V könne daher keine Kostenerstattung erfolgen.
a. Widerspruch gegen den leistungsablehnenden Bescheid
Als ich nach ablehnender Leistungsentscheidung mandatiert wurde, habe ich die Gesetzliche Krankenversicherung meiner Mandantin zunächst unverzüglich auf die Rechtslage hingewiesen, namentlich auf folgende beiden Aspekte:
- Zwar handelte es sich in Deutschland in der Tat (noch) um einen zulassungsüberschreitenden Einsatz eines Arzneimittels, einen sog. „off-label-use“.
Für die streitgegenständliche Indikation meiner Mandantin – also für die ganz konkrete Tumorentität in ihrem ganz konkreten Krankheitsstadium – wurde die Behandlung mit „Keytruda“ allerdings bereits in der einschlägigen organspezifischen Leitlinie aufgeführt und angesichts der positiven Daten wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika sogar schon eine Zulassung erteilt – womit sehr wohl eine hinreichenden Evidenzlage (jedenfalls im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V) bestand.
- Auch standen mit den klassischen (systemischen) Chemotherapien (die der MDK stets reflektorisch „empfiehlt“) im Streitfall gerade keine vertragsärztlichen Methoden mehr zur Verfügung:
Der Einsatz einer systemischen Therapie hätte den bisherigen – klinisch relevanten – Heilerfolg der zwischenzeitlichen Immuntherapie gefährdet und die Zerstörung der mühsam aufgebauten Immunkompetenz durch Abtötung der entsprechenden Immunzellen, die bei systemischer Chemotherapie zu erwarten wäre, stand nach meinem Dafürhalten in keinem Verhältnis zu dem potentiellen Nutzen einer solchen (Palliativ-)Therapie.
Demgegenüber bot die begehrte verfahrensgegenständliche Keytruda-Therapie eine vergleichsweise hohe Erfolgswahrscheinlichkeit, die sich bereits im Einzelfall durch einen stabilisierten Allgemeinzustand (und offenbar auch einen Rückgang der Tumormasse insgesamt, namentlich der Lungenmetastasen) zeigte.
b. vorläufiges Rechtsschutzverfahren
Gleichzeitig habe ich beim zuständigen Sozialgericht eine vorläufige Regelung des Streitgegenstandes wie folgt beantragt:
Hintergrund: Pro Infusion, die nach dem Therapieschema der Behandler alle drei Kalenderwochen zu verabreichen war, fielen Arzneimittelkosten in Höhe von knapp 6.000,- EUR an, so dass die Ersparnisse meiner Mandantschaft recht schnell aufgebraucht waren und die lebensrettende Therapie nicht weiter aus privaten Mitteln vorverauslagt werden konnte.
Ein Abwarten auf den rechtskräftigen Abschluss der sog. Hauptsache (nach ca. zwei Kalenderjahren) war der Patientin aus meiner Sicht nicht zumutbar, da die lebensrettende Therapie JETZT (und nicht erst in zwei Jahren) appliziert werden musste …
Ergebnis:
Das angerufene Sozialgericht hat sich meiner Rechtsansicht angeschlossen und antragsgemäß entschieden:
Nach Eingang meines Antrages am 22. November 2021 (kurz vor Mitternacht) kam es zu einem kurzen Austausch der Argumente mit der Gegenseite und schon am 29. November 2021 – nur 5 Werktage später – wurde mir der stattgebende Beschluss zugestellt:
„(…)