Nach ausgeheilten Depressionen verbleiben nicht selten aufgrund individueller Persönlichkeitsakzentuierungen bestimmte Leistungsdefizite, welche die Betroffenen an der (Wieder-)Ausübung von „Hochleistungsberufen“ – etwa als Top-Manager etc. – hindern.
Private Berufsunfähigkeitsversicherer verweigern in diesen Konstellationen gern die (weitere) Leistung mit dem Hinweis, die „eigentliche“, den Versicherungsfall auslösende Erkrankung sei abgeklungen, womit Leistungsfreiheit eingetreten sei.
In einem solchen Fall habe ich kürzlich vor dem Oberlandesgericht in Koblenz eine weitere wegbereitende Entscheidung für betroffene Versicherungsnehmer erstritten.
Sachverhalt:
Der von einer stressinduzierten Erkrankung betroffene Mandant wandte sich an mich, weil seine private Berufsunfähigkeitsversicherung die Zahlung der vereinbarten BU-Rente mit der Begründung eingestellt hatte, die bei ihm seinerzeit diagnostizierte Depression sei mittlerweile ausgeheilt.
Es liege – so argumentierte die AachenMünchener Versicherung – kein Zustand mit Krankheitswert (mehr) vor, weshalb auch keine Leistungen mehr zu erbringen seien.
Die Besonderheit des Falles war, dass die beim Mandanten ursprünglich diagnostizierte (Erschöpfungs-)Depression als solche zwar in der Tat durch adäquate Gesprächs- und Pharmakotherapie abgeklungen war.
Allerdings hatte die Erkrankung beim Versicherten eine besondere „Stressempfindlichkeit“ hinterlassen. Diese hatte zwar für sich genommen – insoweit war der Versicherung durchaus zuzustimmen – keinen (ICD-10-klassifizierten) Krankheitswert, jedoch machte sie immerhin die Ausübung des versicherten (!) Berufes (Manager einer Zeitarbeitsfirma) unmöglich.
Landgericht Mainz: Rechtswidrige Klageabweisung in erster Instanz:
Vor dem von mir erstinstanzlich angerufenen Landgericht Mainz konnte ich zunächst erreichen, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen einer fairen und transparenten Begutachtung – entgegen der Ansicht der von der AachenMünchener im Nachprüfungsverfahren zuvor beauftragten Ärzte – unmissverständlich darlegte, dass dem versicherten Mandanten die Wiederausübung seiner früheren – durch ständigen Stress geprägten – beruflichen Tätigkeit als Manager einer Zeitarbeitsfirma gesundheitsbedingt nicht möglich war.
Gleichwohl wies das Landgericht Mainz meine Klage im Januar 2018 mit der schlichtweg nicht nachvollziehbaren Begründung ab, dass keine krankheitsbedingte Berufsunfähigkeit vorläge:
Bei der ausschließlich als Konsequenz der individuellen Persönlichkeitsakzentuierung nach abgeklungener Depression verbliebenen Stressempfindlichkeit handele es sich lediglich um eine „charakterliche Ungeeignetheit“ und somit um eine nicht bedingungsgemäße Beeinträchtigung, die in das Risiko des Versicherten falle.
Sieg in der Berufungsinstanz vor dem OLG Koblenz:
Ich habe gegen die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts Mainz Berufung vor dem OLG Koblenz eingelegt und hierbei (erneut) wie folgt argumentiert:
Berufsunfähig ist nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes (bzw. dem Wortlaut der mit dem jeweiligen Versicherer vereinbarten BU-Bedingungen), wer „seinen zuletzt ausgeübten Beruf (…) infolge Krankheit (…) nicht mehr ausüben kann“ (§ 172 Abs. 2 VVG).
Hierunter fällt nach Wortlautverständnis und gesundem Menschenverstand zwanglos auch die streitgegenständliche Situation, in welcher zwar die „Grunderkrankung“ (die Depression) als solche ausgeheilt war, in ihrer Folge allerdings eine (wenn auch nur subjektive, ausschließlich in der Persönlichkeit des versicherten Mandanten liegende) Unfähigkeit zur (Wieder-)Ausübung des versicherten Berufes verblieben ist.
Auch diese Beeinträchtigung ist „infolge“ einer Erkrankung (und zwar im wahrsten Sinne des Wortes) eingetreten und es ist keinerlei Grund ersichtlich, dieses Risiko auf den Versicherten zu übertragen:
Dieser erbringt seine Beiträge – oft jahr(zehnt)elang – ja gerade in der Absicht, im Falle einer etwaigen Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit Einkommenseinbussen im versicherten Beruf ausgleichen zu können.
Allein dieses Risiko – dass er seinen versicherten Beruf nicht mehr ausüben kann – will der Versicherte abgesichert wissen; hierbei spielt für ihn keine Rolle, ob „durch“ und/oder „nach“ Krankheit.
In der mündlichen Verhandlung konnte ich dann den erkennenden Senat von meiner Rechtsposition überzeugen und nachdem das OLG Koblenz recht deutlich signalisierte, dass es meiner Rechtsauffassung folgte und die AachenMünchener unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichtes Mainz entsprechend meines erstinstanzlichen Antrages zur Zahlung verurteilen werde, bot die Versicherung schnell einen Vergleich an.
Wir haben uns dann im Ergebnis auf eine Einmalzahlung in Höhe von 300.000,— EUR bei Vertragsaufhebung geeinigt.
(Ich selbst habe offen gestanden ein streitiges Urteil favorisiert, um diese Rechtsfrage für die Zukunft und andere Betroffene verbindlich zu klären, aber das Mandanteninteresse im Einzelfall gebot die Entscheidung für „den Spatz in der Hand“ und allein diesem bin ich verpflichtet…)