Seit Jahren ist eine spürbare Zunahme von krankheitsübertragenen Zecken in der Natur zu beobachten, was zu einer erhöhten Anzahl von Borrelieninfektionen geführt hat. Aktuell geht man in Deutschland von ca. 500.000 bis 700.000 Neuinfektionen jährlich aus; insgesamt sollen bereits zwischen ein und zwei Millionen Patienten an Borreliose chronisch erkrankt sein. Die Folgen können gravierend sein: Kommt es aufgrund einer fehlenden oder unzureichenden Behandlung und/oder aufgrund von individuellen Risikofaktoren zu einem chronischen Verlauf, drohen nicht nur erhebliche medizinische Folgen. Manifestiert sich die Erkrankung, ist auch die Leistungsfähigkeit im beruflichen Bereich gefährdet. Eine Beeinträchtigung der eigenen Arbeits- kraft wiederum ist mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden.
Die Versicherungsbranche hat sich des Themas angenommen und bietet seit einigen Jahren im Bereich der Privaten Unfallversicherung unterschiedlichste „Zeckenstich“-Tarife an. Die Absicherung des Borreliose-Risikos durch eine Private Unfallversicherung ist uneingeschränkt zu begrüßen – nicht zuletzt deshalb, weil sie auch den von der Gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfassten Freizeitbereich abdeckt. Trotz werbewirksamen Verweises auf die Erweiterung des Leistungskataloges um das Infektionsrisiko „Zeckenstich“ (und entsprechend fließender Versicherungsprämien) ist allerdings eine zunehmende Zurückhaltung bei der Schadensregulierung zu beobachten: Borreliosepatienten wird die vertraglich vereinbarte Leistung regelmäßig mit dem Argument verweigert, zwar habe mög- licherweise (vor einiger Zeit) eine Borrelieninfektion stattgefunden, diese sei mittlerweile allerdings hinreichend behandelt worden, ins- besondere ausreichend antibiotisch saniert. Eine zum jetzigen Zeit- punkt noch vorliegende Beeinträchtigung der körperlichen und /oder geistigen Leistungsfähigkeit könne deshalb nicht (mehr) auf einer Borreliose-Erkrankung beruhen, womit es an der grundsätzlichen Voraussetzung der Eintrittspflicht fehle.
Dieses Regulierungsverhalten ist für den Patienten in jeder Hinsicht unbefriedigend: Genau gegen das eingetretene Risiko, die wirtschaftlichen Folgen einer Borreliose-Erkrankung, hat er sich versichert und hierfür seinen Teil der Leistung – oft über Jahre oder Jahrzehnte – erbracht. Dass nun- mehr ein medizinischer Streit über die Validität bestimmter (LTT-) Diagnostik bzw. über die generelle Eignung, die wirksame Dosierung und die Dauer einer antibiotischen Behandlung auf dem Rücken des Patienten ausgetragen wird, ist für ihn nicht nachvollziehbar.
I. Rechtliche Aspekte
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1. Allgemeines zur Privaten Unfallversicherung
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2. Leistungsvoraussetzungen
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II. Strategie bei der Schadensregulierung
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Zusammenfassung und Ausblick
Durch die Aufgabe des Risikoausschlusses in Ziff. 5.2.4.1. AUB 2000 („Insektenstiche oder -bisse“) sind Borrelieninfektionen durch Zeckenstiche mittlerweile – abhängig von den jeweiligen Tarifbedingungen – vom Schutz der meisten Privaten Unfallversicherungen umfasst.
Infolge der fortschreitenden medizinischen Erkenntnisse ergeben sich viele neue medizinische und rechtliche Fragen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten, soweit ersichtlich scheinen allerdings die herkömmlichen Beurteilungsparameter (sehr) langsam an Bedeutung zu verlieren – auch im forensischen Bereich. Dies lässt auf eine stärkere Position von Borreliosepatienten hoffen.