Die Problematik:
Es scheint sich zu einem Trend zu entwickeln, dass Patienten bei nicht erwartungsgemäßem Verlauf ihrer Erkrankung Strafanzeige gegen den behandelnden Arzt erstatten.
In der Regel wird zwar nur deshalb so verfahren, weil die Kosten und Mühen eines zivilen Schadensersatz- und Schmerzensgeldverfahrens vermieden werden sollen (was im Übrigen keine sehr zielführende Strategie ist).
Gleichwohl lassen sich die zuständigen Staatsanwaltschaften diesbezüglich aber immer öfter instrumentalisieren und nehmen tatsächlich die Ermittlungen wegen (angeblicher) fahrlässiger Körperverletzung oder – wenn der Patient verstirbt – wegen (angeblicher) fahrlässiger Tötung auf.
In solchen Fällen besteht dann für die betroffenen Ärzte durchaus ein gewisses – straf- UND berufsrechtliches – Risiko, vor allem dann, wenn (auch) jenseits der berühmt-berüchtigten (S3-)Leitlinien therapiert wird.
Denn hier scheint sich bei den zuständigen Ärztekammern und Aufsichtsbehörden eine Art Generalverdacht dahingehend etabliert zu haben, dass Heilbehandlungen außerhalb des Leitlinienkorridors stets ein Verstoß gegen etablierte Standards und somit per se anrüchig sind.
Ärzte, die sehr innovative und/oder sehr individualisierte, auf den jeweiligen Patienten bezogene Therapien anbieten, sehen sich deshalb (leider) einem besonderen Risiko ausgesetzt.
Der Fall:
In einem solchen Fall habe ich kürzlich vor einer Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen verteidigt und konnte erneut eine – beruhigende – Verfahrenseinstellung mangels Tatverdacht erreichen.
Mein Mandant, ein bundesweit bekannter, honoriger Arzt, der seit vielen Jahren überaus erfolgreich (und stets mit Augenmaß) unter anderem auch sehr innovative Neulandmethoden einsetzt, sah sich auf die Strafanzeige einer unzufriedenen Patientin mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen angeblicher fahrlässiger Körperverletzung konfrontiert.
Nach Akteneinsicht und Auswertung der Patientenakte habe ich gegenüber der ermittelnden Staatsanwaltschaft klargestellt, dass nach der gefestigten höchstrichterlichen Judikatur die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich allein Sache des Arztes ist; sie ist seine – so der Bundesgerichtshof – „höchstpersönliche Entscheidung“ innerhalb eines rechtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraums.
Niemals kann deshalb die Anwendung einer (vertretbaren) Heilmethode strafbar sein.
Die Staatsanwaltschaft hat sich glücklicherweise einsichtig gezeigt und das Verfahren sofort eingestellt.
So konnte ich zwar insgesamt diese unangenehme Episode für meinen Mandanten durch eine schnelle und konsequente Reaktion auf ein zeitlich erträgliches Maß begrenzen (von erster polizeilicher Beschuldigtenvernehmung bis zum Einstellungsbescheid vergingen glücklicherweise gerade einmal exakt zwei Kalendermonate).
Gleichwohl ist und bleibt es ärgerlich, wenn ohne Anhaltspunkte für eine gravierende kriminelle Energie auf Behandlerseite strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die ausschließlich auf den ihrem Wesen nach (offenkundig) einseitigen Darstellungen in Strafanzeigen unzufriedener Patienten beruhen.
Hier bleibt zu wünschen, dass die Staatsanwaltschaften künftig mit etwas mehr Augenmaß vorgehen – denn unabhängig von den psychischen Belastungen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens besteht je nach Berufshaftpflichtversicherung des betroffenen Arztes oft auch noch eine – durchaus substantielle – Deckungslücke hinsichtlich des Verteidigerhonorars (vgl. hierzu meinen Aufsatz „Die Absicherung strafrechtlicher Risiken in der ärztlichen Tätigkeit – eine empfindliche Deckungslücke“).