Regelmäßig fragen sich Ärzte und Heilpraktiker, die (auch) naturheilkundlich tätig sind, ob und wie weit sie von der „Schulmedizin“ abweichen dürfen und mit welchen Konsequenzen dies verbunden ist. Das Thema ist durchaus ernst zu nehmen, kann es doch den Kern der heilberuflichen Existenz betreffen.
Im Grundsatz gilt, dass der Behandler selbstverständlich von den „allgemein anerkannten“ Standards abweichen darf und zwar umso weiter, je ernsthafter sich die Erkrankungssituation für seinen Patienten darstellt und je weniger Alternativen die aktuelle Lehrmeinung bietet. Dies gilt insbesondere bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie etwa bei onkologischen Indikationen. Je weiter der Therapeut allerdings von bestehenden Richt- und Leitlinien abweicht, desto größere Sorgfalt hat er walten zu lassen und desto umfassender hat er aufzuklären. Insbesondere muss der Patient ausdrücklich über den möglichen Außenseiter- bzw. Neulandcharakter der jeweils an- gewendeten Methode und über „schulmedizinische“ Behandlungs- alternativen informiert werden.
Für die juristische Absicherung des Behandlers ist es entscheidend, seine grundsätzlich umfassende Therapiefreiheit (I.) in Einklang zu bringen mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, aufgrund dessen eine behandlungsangepasste Aufklärung (II.) zu erfolgen hat.
I. Umfassende Therapiefreiheit
(…)
II. Korrekte Aufklärung des Patienten
(…)
a. Wann aufklären?
(…)
b. Wie aufklären?
(…)
c. Wie viel aufklären?
(…)
d. Sonderfall: wirtschaftliche Aufklärung
(…)
III. Zusammenfassung
Jeder Heilberufler kann sich auf eine grundsätzlich unbeschränkte Therapiefreiheit berufen: Ihm steht bei der Methodenwahl ein weiter, der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum zu.
Von allgemein anerkannten Standards darf abgewichen werden; auch unkonventionelle oder neue Behandlungsmethoden können zum Einsatz kommen.
Ihre Grenze findet die Therapiefreiheit im Selbstbestimmungsrecht des Patienten, aufgrund dessen ein Aufklärungsanspruch besteht. Insbesondere ist über den Neuland- bzw. Außenseitercharakter der Methode sowie über „schulmedizinische“ Behandlungsmöglichkeiten zu informieren.
Hat der Patient dergestalt aufgeklärt eine informierte Entscheidung getroffen, ist allein diese, nicht hingegen eine womöglich anderslautende Leitlinienvorgabe Maßstab des therapeutischen Handelns.