In wünschenswerter Klarheit hat ein weiteres Sozialgericht die Kostentragungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung unter den sog. „Notstandsvoraussetzungen“ des § 2 Abs. 1a SGB V festgestellt:
Sachverhalt:
Bei meinem Mandanten wurde ein fortgeschrittenes (Plattenepithel-)Karzinom festgestellt, welches sich auch nach leitliniengerechter Radiochemotherapie als deutlich progredient herausstellte.
Kostenantrag bei der Krankenversicherung
Aufgrund der Metastasierung in Lymphknoten und Leistengegend war Eile geboten, weshalb der behandelnde Onkologe eine dreimonatige Versorgung mit dem monoklonalen Antikörper Pembrolizumab beantragte.
Die Gesetzliche Krankenversicherung meines Mandanten konsultierte den MDK, welcher die Ansicht äußerte, es seien noch nicht alle sämtliche Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft worden; mein Mandant könne sich noch der zugelassenen Behandlungsoption – einer platinbasierten Chemotherapie – unterziehen.
Im Übrigen bestünden auch keine hinreichenden Erfolgsaussichten eines Behandlungsversuches mit Pembrolizumab/Keytruda, denn es fehle an „Ergebnissen einer Phase-III-Studie“.
Die Versicherung schloss sich der MDK-Argumentation an und erließ einen ablehnenden Bescheid.
Antrag auf einstweilige Anordnung
Da die Behandlung zügig begonnen werden musste und mein Mandant schlichtweg nicht die Zeit hatte, ein langwieriges (Hauptsache-)Verfahren abzuwarten, habe ich mit folgender Argumentation beim zuständigen Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt:
- Eine platinbasierte Chemotherapie bot meinem Mandanten in der seinerzeitigen Situation allenfalls eine kurzfristige Überlebenschance (erkauft mit durchaus gravierenden Nebenwirkungen) wohingegen die begehrte Immuntherapie mit „Keytruda“ ein deutlich längeres Überleben (bei guter Lebensqualität) erwarten lässt.
- Für die (metastasierte) Krebserkrankung meines Mandanten existieren ohnehin keine standardisierten Empfehlungen (diskutiert werden in der medizinischen Wissenschaft derzeit sowohl „klassische“ Zytostatika wie Carboplatin und Paclitaxel als auch die neueren – wirksameren, selektiveren und deutlich nebenwirkungsärmeren – Checkpoint-Inhibitoren).
- „Ergebnisse von Phase-III-Studien“ sind nach gefestigter Rechtsprechung gerade keine Voraussetzungen für eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 2 Abs. 1a SGB V; sogar das diesbezüglich tendenziell zurückhaltende Bundessozialgericht lässt seit 2006 bei Fehlen anderer Studien auch Assoziationsbeobachtungen, Einzelfallberichte und Empfehlungen von Konsensuskonferenzen ausreichen.
Das zuständige Sozialgericht konnte sich nicht zu einer schriftlichen Entscheidung im Beschlusswege durchringen und beraumte einen Termin zur mündlichen Verhandlung an.
In diesem konnte ich durch gezielte Befragung des behandelnden Onkologen das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen einer Erstattungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzeigen, so dass wenige Tage später der stattgebende Beschluss zugestellt wurde: