Erfahrungsgemäß treten gebührenrechtliche Missverständnisse besonders häufig in komplementärmedizinisch ausgerichteten Praxen und Kliniken auf. Vor allem umweltmedizinisch und kom- plementäronkologisch therapierende Kollegen sind exponiert. Dies hat seinen Grund teilweise in den nicht immer eindeutigen und oft auch überholten Regelungen des Gebührenrechts, vor allem aber im Praxis- und Patientenprofil dieses Bereiches: Naturgemäß sind neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden – gerade auch in abrechnungstechnischer Hinsicht – wesentlich stärker rechtlichen Diskussionen unterworfen als etablierte, leitliniengerechte Therapien.
In der Konsequenz führen die hier bestehenden Unklarheiten nicht selten dazu, dass nicht alle zustehenden Gebühren abgerechnet werden, was angesichts der seit Längerem nicht mehr der Preis- entwicklung angepassten Gebührenziffern ein durchaus ärgerliches Versäumnis ist. Darüber hinaus enthalten die Arztrechnungen oft aber auch – versehentlich – überhöhte Gebührenforderungen. Diese Konstellation kann in der Praxis unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen: Die sich bei Bekanntwerden nicht selten anschlie- ßenden berufs- und strafrechtlichen Verfahren und die oft nicht unerheblichen Rückzahlungsansprüche von Patienten und/oder Kostenträgern haben schon so manchen Kollegen in Bedrängnis gebracht.
Dass ein Großteil der Missverständnisse vermeidbar ist und leicht sowie ohne großen wirtschaftlichen Aufwand abgestellt werden kann, bietet Anlass zu einem klarstellenden Beitrag. Nachstehend wird somit zunächst die rechtliche Problematik skizziert (I). Anschließend können die beiden häufigsten Problemkonstellationen kurz besprochen werden (II), woraufhin sich eine Zusammenfassung praxisbewährter Absicherungsmaßnahmen anschließt (III).
Die Ausführungen beschränken sich auf die Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (nachstehend: GOÄ).
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Zusammenfassung
Abrechnungen heilberuflicher Leistungen enthalten aufgrund der Struktur des ärztlichen Gebührenrechts naturgemäß ge- wisse Unsicherheitsfaktoren. Dies gilt vor allem im Bereich der Komplementärmedizin, die aufgrund des nur teilweise geregelten Leistungsspektrums in besonderem Maße auf – ihrem Wesen nach unsicherheitsbehaftete – Analogbewertungen angewiesen ist.
Hierbei löst zwar eine versehentliche Gebührenüberhebung grundsätzlich nur Rückzahlungsansprüche in Höhe des zuviel vereinnahmten Beträge aus. Im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung bergen fehlerhafte Abrechnungen aber immer auch die Gefahr eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Abrechnungsbetrugs oder eines berufsrechtlichen Verfahrens.
Schutz bietet insbesondere der exakte Ausweis von Sachkosten unter Auskehr sämtlicher Vergünstigungen und eine konservative Verwendung von Analogziffern. Hierbei wiederum ist eine Orientierung am Hufeland-Verzeichnis unerlässlich. Bei umsatzstarken Analogziffern sollte vorsorglich ein juristisches Präventivgutachten eingeholt und Kontakt zur zuständigen Ärztekammer aufgenommen werden.