Wenige Naturheilverfahren polarisieren so stark wie die vor allem in der Komplementäronkologie verbreitete Therapie mit „Vitamin B 17“: Während es sich für die Anhänger dieser Behandlungsmethode um ein gut verträgliches, natürliches Zytostatikum handelt, hält die Gegenseite das Pseudovitamin für ein unseriöses Wundermittel und verweist auf die angeblichen „Opfer des Amygdalin-Business“. Von behördlicher Seite wurden sogar Verkehrsverbote verhängt, was zu einigen Unsicherheiten geführt hat.
Wie so oft verläuft die Grenze zwischen den Fronten: Die pauschale Einstufung als bedenkliches Arzneimittel, das damit einhergehende Verkehrsverbot und die hieraus folgende Strafbarkeit der anwen- denden Ärzte und Heilpraktiker dürfte mittlerweile nicht mehr halt- bar sein. Umgekehrt kann trotz erster positiver Signale aus der Rechtsprechung auch nicht von einer generellen Unbedenklichkeit sämtlicher Erscheinungsformen der Therapie mit „Vitamin B17“ ausgegangen werden. Die nicht ohne weiteres einsichtige Sach- und Rechtslage bietet Anlass für einen klarstellenden Beitrag: Nach einer kurzen Bestimmung der Begrifflichkeiten (I) gibt der Artikel einen knappen Überblick über die Gesetzessystematik (II) und skiz- ziert die aktuelle Rechtslage (III). Abschließend werden Richtlinien für die tägliche Praxis dargestellt (IV).
I. Zu den Begrifflichkeiten
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II. Die Gesetzessystematik
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III. Die Entwicklung der Sachlage und die aktuelle Rechtsprechung
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IV. Schlussfolgerungen für die therapeutische Praxis
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V. Zusammenfassung und Ausblick
Die auch heute noch von diversen Behörden vertretende Ansicht, eine Amygdalin-Therapie sei per se bedenklich und deshalb strafbar, lässt sich seit geraumer Zeit nicht mehr aufrechterhalten. Gerade bei der Amygdalin-Therapie ist jedoch in besonderem Maße auf die Reinheit des verwendeten Rohstoffes und die jeweilige Her- stellung zu achten. Beides entscheidet über die arzneimittelrechtliche Unbedenklichkeit und somit über die sanktionslose Durchführbarkeit der Therapie. Sowohl eine möglichst hohe Reinheit des Rohstoffes (idealiter über 95 % pharmaceutical grade) als auch die aseptische Herstellung nach den Richtlinien des Deutschen Arzneibuches sollten im Hinblick auf die eigene Absicherung ausreichend dokumentiert werden.
Von einer generellen Unbedenklichkeit sämtlicher Amygdalin-Pro- dukte kann hingegen nach derzeitigem Sachstand nicht ausgegangen werden. Im Hinblick auf potentielle Verunreinigungen kann insbesondere nur dringend von dem Bezug von Fertigarzneimitteln aus dem Ausland abgeraten werden. Die verwendeten Ausgangs- stoffe sind oft von unklarer Herkunft und unklarer Reinheit, was schnell eine arzneimittelrechtliche Bedenklichkeit und damit auch eine Strafbarkeit des Therapeuten nach sich ziehen kann. Auch sind Schadensersatzansprüche gegen die oft nichteuropäischen Hersteller faktisch kaum durchsetzbar.