
Sachverhalt
Bei dem Patienten wurde ein hirneigener Tumor diagnostiziert (Glioblastom, WHO-Grad IV). Nach neurochirurgischer Resektion erfolgte eine Bestrahlung; eine Chemotherapie wurde wegen fehlender Methylierung nicht durchgeführt.
Angesichts der Bedrohlichkeit der Erkrankung unterzog sich der Patient neben der Strahlentherapie einer immunbiologischen Behandlung, bestehend im Wesentlichen aus dendritischen Zellen, onkolytischen Viren, Mistelpräparaten und hyperthermischer Behandlung.
Für den Zeitraum nach der Tumorresektion konnte so ein stabiler Befund erreicht werden. Ungefähr 12 Monate nach der Erstdiagnose wurde allerdings ein Rezidiv festgestellt, was zur erneuten operativen Entfernung des Hauptherdes führte. Zusätzlich beabsichtigte der Patient, die immunbiologische Behandlung weiterzuführen.
Verfahren
Die beantragte Kostenerstattung lehnte die Techniker Krankenkasse ab: Durch die wissenschaftlich anerkannte Kombination aus Operation, adjuvanter Strahlentherapie und Zytostase (neben anerkannter palliativer Begleittherapie) sei in jedem Fall eine Verbesserung der Lebensqualität, oft auch ein relativ langes Überleben gewährleistet. Die begehrte Therapie hingegen biete – sowohl hinsichtlich ihrer Einzelbestandteile als auch in ihrer Kombination – unter keinen Umständen die Aussicht auf spürbar positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf.
Da der Patient seine privaten Rücklagen für die Finanzierung der Behandlung aufgebraucht hatte, beantragte die Kanzlei eine gerichtliche Eilentscheidung.
Das zuständige Sozialgericht Nürnberg erließ die begehrte einstweilige Anordnung und verpflichtete die Techniker Krankenkasse mit Beschluss vom 29. Januar 2015,
- sowohl die Kosten für die weitere immunbiologische Behandlung (vorläufig) zu übernehmen
- als auch die ebenfalls begehrte MTX-HSA-Chemotherapie nebst
Eigenblut-Ozoninfusionen (vorläufig) als Sachleistung
zu gewähren.
Sozialgericht Nürnberg: Gewisse Indizien für eine spürbar positive Auswirkung der immunbiologischen Therapie liegen vor
Zur Begründung argumentierte das Gericht im Wesentlichen mit der gebotenen Folgenabwägung: Gewisse Indizien für die Aussicht auf spürbar positiven Einwirkung auf den Krankheitsverlauf lägen vor, wie sich aus den Stellungnahmen des behandelnden Arztes sowie den aufbereiteten Nachweisen über die aktuellen Forschungstätigkeiten ergäbe.
Demgegenüber bestünde trotz der aktuell möglichen Kombinationstherapien aus Operation, Bestrahlung und Chemotherapie noch immer eine relativ schlechte Prognose für Glioblastom-Patienten.
Da ein medizinisches Fachgutachten wegen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen Eile nicht einzuholen sei, müsse anhand einer Folgenabwägung entschieden werden. Hier wiederum wiege das Interesse des Patienten an einer möglichen Lebensverlängerung deutlich schwerer als die Belange der Versichertengemeinschaft.
Beschwerde vor dem Bayerischen Landessozialgericht zurückgenommen
Die Techniker Krankenkasse legte gegen diese Entscheidung Beschwerde vor dem Bayerischen Landessozialgericht ein, nahm diese aber mit Schreiben vom 02. April 2015 zurück.
Die Entscheidung ist seither rechtskräftig.
Stand: Mai 2015