Vortrag von Dr. Frank Breitkreutz am Sonntag, den 05. Mai 2013, 18.00 Uhr
(16. Internationaler GfbK-Kongress, 04./05. Mai 2013 Heidelberg, Arzt-Patienten-Forum)
Die Therapie jenseits der „Schulmedizin“ ist mitunter besonderen rechtlichen Anforderungen unterworfen.
Für die Patienten selbst hat die Inanspruchnahme von „Neuland-“ bzw. „Außenseitermethoden“ keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen. Für den Behandler hingegen bestehen nicht selten gesteigerte Aufklärungs-, Beobachtungs- und Sorgfaltspflichten. Abhängig von der Wahl der Methode können auch (haftpflicht-)versicherungsrechtliche Fragestellungen betroffen sein; unter Umständen drohen sogar strafrechtliche Ermittlungsverfahren.
Dieser Vortrag sensibilisert für die häufigsten Rechtsprobleme im Spannungsfeld zwischen Leitliniendruck und Therapiefreiheit. An aktuellen Beispielen aus seiner Prozess- und Beratungspraxis geht Rechtsanwalt Dr. Breitkreutz insbesondere auf folgende Themen ein:
1. Ärztliches Haftungs- und Schadensersatzrecht
Wesenskern der Heilbehandlung ist die Therapiefreiheit: Dem Therapeuten steht ein weites Beurteilungsermessen dahingehend zu, ob er (überhaupt) eine Behandlung vornimmt und mit welchen Methoden diese erfolgt. Die Therapiefreiheit ist ihrem Wesen nach fremdnützig – dem Wohl des Patienten verpflichtet – und insoweit eines der höchsten Schutzgüter überhaupt: Ohne sie gibt es keinen medizinischen Fortschritt, keine Veränderung zum Positiven.
So sehr die Therapiefreiheit dem ärztlichen Standard im Sinne eines ungehinderten wissenschaftlichen Fortschritts Grenzen setzen muss, so sehr bedarf es gerade aufgrund der Therapiefreiheit Richt- und Leitlinien, um ein Gleichgewicht zwischen Fortschrittspotential und Sicherung des therapeutischen Standards zu ermöglichen.
Ihre Grenze findet die Therapiefreiheit letztlich dort, wo entweder gegen den Willen des Patienten behandelt wird oder wo offensichtlich ist, dass die Ergebnisse der bevorzugten Behandlungsweise hinter denen anderer Methoden zurückbleiben. Im Kern bleibt die Feststellung, dass der komplementärmedizinische Behandler das Verhältnis von Chancen und Risiken der gewählten (oder gerade nicht gewählten) Methode sorgfältig abwägen und den Patienten umso umfangreicher aufklären muss, je weiter er sich von bekannten und bewährten Methoden entfernt.
2. Haftpflichtversicherungsrecht
Nur in Ausnahmefällen hat die Anwendung komplementärmedizinischer Methoden Einfluss auf den Versicherungsschutz des Behandlers. Aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten Therapiefreiheit sind grundsätzlich auch Heilversuche und Außenseitermethoden vom Versicherungsschutz umfasst. Unter Umständen kann jedoch eine besondere Mitversicherung erforderlich werden bzw. eine Gefahrenerhöhung anzuzeigen sein. Auch ist die jeweilige heilberufliche Tätigkeit im Versicherungsschein möglichst exakt anzugeben, da hierdurch das versicherte Risiko konkretisiert wird.
3. Krankenversicherungsrecht
Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit der jeweils durchgeführten Behandlungsmethode spielt für den Behandler zwar nur eine mittelbare Rolle, da zivilrechtlich – auch bei „Selbstzahlern“ – allein der Patient Kostenschuldner ist.
Bei nicht wenigen Therapien wird der Patient die Durchführung jedoch von der Finanzierung durch den Kostenträger abhängig machen, so dass auch auf Seiten des Behandlers eine gewisse Grundkenntnis über das Vorhandensein von Erstattungsansprüchen bestimmter Behandlungsmethoden bestehen sollte.
Dies gilt umso mehr, als nach ständiger Rechtsprechung eine Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung des Patienten besteht, deren Verletzung zu einem Wegfall des gesamten Honoraranspruches führt. Auch insoweit sind komplementärmedizinische Behandler besonders exponiert.
4. Gebührenrecht
Gerade die Anwendung von Neulandverfahren oder Außenseitermethoden ist aufgrund des nur teilweise geregelten Leistungsspektrums in besonderem Maße auf – ihrem Wesen nach unsicherheitsbehaftete – Analogbewertungen angewiesen.
Die hierdurch erhöhte Gefahr von (versehentlichen) Gebührenüberhebungen löst zwar grundsätzlich nur Rückzahlungsansprüche in Höhe des zuviel vereinnahmten Beträge aus. Im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung bergen fehlerhafte Abrechnungen aber immer auch die Gefahr eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetrugs oder eines berufsrechtlichen Verfahrens. Selbiges gilt für die noch immer verbreitete Direktliquidation von MIII/MIV-Spezialdiagnostik.
Schutz bietet der exakte Ausweis von Sachkosten unter Auskehr sämtlicher Vergünstigungen und eine konservative Verwendung von Analogziffern. Hierbei wiederum bietet eine Orientierung am Hufeland-Verzeichnis wertvolle Hilfe. Bei umsatzstarken Analogziffern sollte vorsorglich ein juristisches Präventivgutachten eingeholt und Kontakt zur zuständigen Ärztekammer aufgenommen werden.
5. Arzt- und Arzneimittelstrafrecht
Eine unzureichende Aufklärung des Patienten, die Verwendung angeblich bedenklicher Arzneimittel, eine zu offensive Analogabrechnung oder die Direktliquidation von MIII/MIV-Spezialdiagnostik: Im medizinischen Neuland abseits der Leitlinien ist schnell die Grenze zu objektiv strafbaren Verhalten überschritten. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Abgrenzung individueller (Ketten-)Heilversuche von der klinischen Prüfung.